Grande Diagonale (1974)
Giuseppe Spagnulo (1936-2016)
1974
Stahl
Grande Diagonale gehört zur Werkgruppe der Ferri spezzati („Gebrochene Eisen“). Industriell vorgefertigte Eisenbrammen bilden das Ausgangsmaterial. Die einzelnen Brammen hat Spagnulo mit dem Schneidbrenner abgelängt. Dieser Arbeitsprozess ist bewusst nicht akkurat ausgeführt. Die unregelmäßigen Schnittkanten machen die Materialbehandlung sichtbar. Im Lauf der Zeit werden sie durch Korrosion und Materialalterung überlagert.
Die Brammen sind mit dem Schneidbrenner in diagonaler Linie fast vollständig durchtrennt. Das glühende Eisen wurde an den Schnittstellen weich und hat der Schwerkraft nachgegeben. In kaltem Zustand ist die Verletzung fixiert.
Die Brüche verleihen dem schweren und harten Eisen eine verstörende Einfachheit und Leichtigkeit. Die Einschnitte verletzen die einfache Grundform und heben das Eisen gegen die Schwerkraft in unterschiedlichen Krümmungswinkeln vom Boden. Das Material ist im Moment des Nachgebens fixiert. Es gibt kein Zurück.
Die Einschnitte markieren eine Diagonale in zwei Ebenen: Sie bilden zusammen eine diagonale Linie durch die drei Brammen. Die unterschiedlichen Winkel der abgeknickten Enden bilden eine zweite Diagonale. Die von links unten nach rechts oben weisende Diagonale bestimmt den Abstand der parallel angeordneten Teile und verbindet sie zu einem Ganzen. Spagnulo spricht von einer „Additionsplastik“. Der Schnitt erweitert den Bildraum in der Vorstellung über die drei Blöcke hinaus. Der Schnittpunkt mit der Grundfläche liegt außerhalb der Skulptur. „In ihrer potentiellen Unbegrenztheit erweist sich die Immaterialität der Schräge als Imaginationswert“ (Max Imdahl).
1968 beteiligt sich Giuseppe Spagnulo aktiv an den studentischen Aufständen in Mailand, er stellt große Konstruktionen aus Eisen als Symbol des Protestes auf den Straßen auf. In der Folge entstehen die Ferri spezzati, die zer- oder gebrochenen Eisen, deren scheinbare Leichtigkeit bei der Schwere des oft industriell vorgefertigten Materials irritieren. Die Skulpturen aus Eisenbrammen besitzen Eigenschaften, die eher Ton-, Lehm- und Terracotta-Arbeiten nahe stehen. Giuseppe Spagnulo hatte vor dem Studium der Bildhauerei das Töpferhandwerk erlernt.
Giuseppe Spagnulo sieht die Ferri spezzati als „Symbole der Spannung und der befreienden Energie“ innerhalb der Materie.
Für ihn ist das Feste, Abgeschlossene, und geometrisch Vollkommene Bild der herrschenden Gesellschaftsform, die man aufbrechen muss. (Erich Franz).
Standort:
Forum (Südseite der Universitätsbibliothek)
Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstraße 150
44801 Bochum
Giuseppe Spagnulo in Bochum:
Barra
Diagonale (Schlosspark Haus Weitmar)
Grande Curva
Diagonale-Verticale
Allegorie auf den Trojanischen Krieg
Grande Ruota
Blocco
Kunst an der Ruhr-Universität Bochum:
Evolution (Hanns Holtwiesche)
Keramikwand (Victor Vasarely)
Grand Vitrail Cinetic (Victor Vasarely)
Verkleidungen der Versorgungskerne
Ziegelrelief Universitätsbibliothek (Henryk Dywan)
Schriftzug „Ruhr-Universität“ (Henryk Dywan)
Tor und Doppelwinkel (Friedrich Gräsel)
Wasserrelief Forumsbrunnen (Erich Reusch)
Kreuzblütler (Anatol)
Sandmühle (Günther Uecker)
Toutes Directions (Yaacov Agam)
Metrical Construction (David Rabinowitch)
Trace (James Reineking)
Two Open Rectangles Excentric Triangular Section, Variation VII (George Rickey)
Leuchtschriften an der Universitätsbibliothek (Mischa Kuball)
Guernica (Reproduktion)
Graffiti
& so weiter ... (Lawrence Weiner)
Nachlesen:
Wikipedia: Giuseppe Spagnulo
Galerie m, Bochum: Giuseppe Spagnulo
virtuelles museum moderne nrw: Grande Diagonale
virtuelles museum moderne nrw: Giuseppe Spagnulo
RUB: Sammlung Moderne
Ruhr-Universität: Homepage
Literatur:
Stahlstandorte. Terminal von Richard Serra und neun Werke des 1. Bochumer Symposiums Stadt und Bildhauerei 1979/80, Broschüre, Stadt Bochum Kulturamt und Kunstmuseum Bochum, 1987.
Erläuterungen zur modernen Kunst: 60 Texte von Max Imdahl, seinen Freunden und Schülern. Düsseldorf 1990.
(Den Kern des Buchs bilden 26 Interpretationen von Bildern und Skulpturen der Kunstsammlungen der RUB, die Max Imdahl während seiner Tätigkeit veröffentlicht hat. Mit Abbildungen der interpretierten Werke.)