Dolomit gespalten (1978)
Ulrich Rückriem (*1938)
1978
Dolomit
Auf den ersten Blick sieht man nur einen quaderförmigen, etwas unregelmäßigen Stein. An den Seiten sind bogenförmige Schnittspuren zu erkennen.
Auf den zweiten Blick erkennt man, dass der Block auf einer an drei Seiten überstehenden Grundplatte liegt. Warum wird die Arbeit „Dolomit, gespalten“ genannt?
Auf den dritten Blick sieht man, dass die Grundplatte nicht eben ist. Der Block liegt trotzdem passgenau auf. Dann fallen die Einkerbungen an der Seite der Grundplatte auf. Eine Kerbe führt verlängert in eine Bohrung, die genau in der Grenzlinie von Block und Grundplatte liegt. Das sind die Spuren der Spaltung eines großen Steinblocks in den unteren dreieckigen Teil und einen oberen Teil, der anschließend quaderförmig zugeschnitten und genau in der ursprünglichen Position wieder mit der Grundplatte zusammengefügt wurde, so dass die beiden Teile beinahe nahtlos wieder eine Einheit bilden.
Der Zustand der Einheit vor der Bearbeitung bleibt in der Einheit der beiden Teile nach dem Eingriff des Künstlers ablesbar.
Seit 1968, wohl auch inspiriert durch eine USA Reise und die Berührung mit Konzepten der Minimal Art, arbeitet Ulrich Rückriem häufig mit Stein als Ausgangsmaterial. Er reduzierte seine Arbeitstechnik auf zurückhaltende Eingriffe in den steinernen Block: Schnitt bzw. Spaltung und nachfolgendes Zusammenführen der Teile. Wie von selbst scheinen auf diese Weise stereometrische Grundformen zu entstehen, deren Umrisse und Teilungsmuster wiederum auf den Ort ihrer Ausstellung verweisen. Doch schätzt Rückriem insbesondere auch den stofflichen Charakter der rauen, steinernen Oberfläche, deren Farbigkeit und Licht.
Der Rang von Ulrich Rückriem unter den deutschen Bildhauern ist international unbestritten. Im Grunde ist er, richtig verstanden, ein klassischer Bildhauer: er geht in den Steinbruch, wählt die Steine aus und legt selbst mit Hand an, meißelt ihnen aber nicht eine fremde Gestalt ein, sondern holt den sinnlichen Eigenwert des Steinrohlings heraus, entweder dadurch, dass er den optimalen Ausschnitt einer unberührten Oberfläche bestimmt oder durch Polieren den inneren Charakter dieses Steins freilegt. Der handwerkliche Eingriff: die Brechspuren und Fugenschnitte; der künstlerische: die Proportion und Abstimmung der Seiten zueinander, also reine Form.
(Georg Jappe, „Rundgang / Guide“, Kurzführer Skulptur Projekte 1987)
2008 hat Ulrich Rückriem sein Archiv den Kunstsammlungen der RUB Bochum übergeben.
Standort:
Schlosspark Haus Weitmar
Hattinger Straße / Wasserstraße
44795 Bochum
Siehe auch:
Steinskulptur Westfalenbank
Dolomit geschnitten
Die Kunstwerke im Schlosspark Haus Weitmar:
Richard Serra, Elevational Circles: In and Out (1972/1977)
Giuseppe Spagnulo, Ferro spezzato - Diagonale (1974)
Giuseppe Spagnulo, Ferro spezzato - Grande Curva (1974)
Giuseppe Spagnulo, Ferro spezzato - Diagonale-Verticale (1974)
Erich Reusch, ohne Titel (Winkel) (1977)
Ulrich Rückriem, Dolomit geschnitten (1977)
Erich Reusch, Plastik Frankfurt (1978)
Lee Ufan, Relatum with Four Stones and Four Irons (1978)
David Rabinowitch, Metrical(Romanesque) Construction in 5 Masses and 2 Scales VIII (1979)
Lee Ufan, Relatum - Holzwege I (2000)
Lee Ufan, Relatum - Holzwege II (2000)
Giuseppe Spagnulo, Ferro spezzato - Blocco (2005)
François Morellet, concrete erection, La Plate-bande n° 2 (2010)
Richard Serra, O.I.C (1999/2012)
Erich Reusch, ohne Titel (MuT) (2015)
William Tucker, Prow (2016)
Nachlesen:
Wikipedia: Ulrich Rückriem
galerie m bochum: Ulrich Rückriem
virtuelles museum moderne nrw: Ulrich Rückriem
skulptur projekte 1987: Ulrich Rückriem in Münster
RUB Presseinfo: Archiv Ulrich Rückriem (2008)
Wikipedia: Haus Weitmar
Wikipedia: Galerie m Bochum und Situation Kunst
m-bochum: Skulpturen im Schlosspark Haus Weitmar